von Ilga Pohlmann | 17. August 2014 | 2 Kommentare

Welches Bio ist besser?

Bio-Siegel-Vergleich

Wenn ich an die Dinge denke, die ich in der konventionelle Landwirtschaft nicht unterstützen möchte, dann fallen mir als erstes z.B. chemische Spritzmittel, Massentierhaltung und Gentechnologie ein. Um dem zu entgehen, kaufe ich fast nur Bioprodukte von verschiedenen Anbietern. Oft finde ich das gleiche Produkt von zwei oder drei Anbietern mit verschiedenen Biosiegeln und in unterschiedlichen Preisklassen. Das Demeter-Produkt ist fast immer am teuersten, während das EU-Siegel zum günstigsten Preis angeboten wird. Ich vermute, dass Demeter die beste Qualität bietet, aber lohnt sich der Preis wirklich? Wo genau liegen die Unterschiede? Ist bio nicht gleich bio? Also hab ich angefangen nachzulesen und mich dabei auf 5 übliche Siegel konzentriert:

  • das staatliche EU-Siegel
  • das staatliche deutsche Siegel
  • das private Verbandssiegel Naturland
  • das private Verbandssiegel Bioland
  • das Siegel des biologisch-dynamische Landwirtschaftsverbandes Demeter

Die ganze Sache ist ganz schön kompliziert, auch wenn es erst einmal einfach anfängt: „Bio“, „aus kontrolliert biologischem Anbau“ und „Öko“ sind geschützte Begriffe. Produkte, die so bezeichnet werden, müssen den Kriterien des EU-Bio-Siegels entsprechen. Seit 2012 ist das Zeichen des EU-Bio-Siegels für verpackte Lebensmittel verpflichtend, gleichzeitig kann ein Produkt aber noch weitere Bio-Siegel tragen.

Alle Bio-Siegel, ob staatlich oder privat, müssen den Mindestanforderungen der EU-Öko-Verordnung (EG) Nr. 834/2007 vom 28. Juni 2007 genügen. Die beiden staatlichen Bio-Siegel richten sich vor allem nach dieser Verordnungen. Sie sehen so aus:

Bio-Siegel der Europäischen Union

200px-Organic-Logo Das europäische staatliche rechteckige Biosiegel wurde 2010 eingeführt. Richtlinien

Bio nach EG-Öko-Verordnung

Bio_Logo seit 2001, vermutlich das bekannteste unter den Bio-Zeichen Es ist vermutlich das bekannteste unter den Bio-Zeichen und war ein bisschen strenger als die EU-Vorgaben fordern, seit 2010 richtet es sich auch nach der EU-Richtlinie. Infos Zusätzlich zu den beiden staatlichen Siegeln gibt es private Verbände mit eigenen Zertifizierungen. Sie müssen den EG-Bestimmungen entsprechen, denn ohne diese Siegel ist eine Verbandszertifizierung nicht möglich. Die Anforderungen der privaten Verbände sind meist sehr viel strenger als die staatlichen Bestimmungen.

Naturland

104px-Naturland_Logo.svg seit 1982, Richtlinien Zusätzlich zu den Richtlinien für Öko-Lebensmittel gelten seit 2005 bei Naturland Sozialrichtlinien bei der Erzeugung und Verarbeitung der Produkte. Das Ziel ist eine vollständig ökologisch und faire Landwirtschaft.

Bioland

120px-Bioland_Logo_2012.svg seit 1971, Richtlinien Die Bestimmungen des Bioland-Siegels sind denen von Naturland sehr ähnlich, zum Teil aber auch schärfer.

Demeter

120px-Demeter_Logo.svg seit 1928, Richtlinien Bei Demeter handelt es sich um eine biologisch-dynamische Landwirtschaft, die auf dem anthroposophischen Modell von Rudolf Steiner basiert. Der Landwirtschaftliche Betrieb wird als individueller Organismus gesehen. Deshalb sind alle Rohstoffe und Hilfsmittel, die nicht aus diesem System stammen stark eingeschränkt. Als Hilfsmittel werden selbst hergestellte Präparate genutzt und die kosmischen Rhythmen (Mond und Planetenstellung) werden berücksichtigt. Deshalb steht diese Landwirtschaft häufiger in der Kritik. Die Bestimmungen für die Lebensmittelherstellung sind durch das biologisch-dynamische Modell strenger als bei anderen Siegeln. Zum Beispiel schreibt Demeter als einziger Bioverband seinen Mitgliedern vor, Tiere zu halten. Biodynamische Präparate aus Eigenproduktion sind zwingend erforderlich.

 

Wie sind die Richtlinien und Bestimmungen denn jetzt genau?

Produkte mit den staatliche Siegeln müssen nicht zu 100% bio sein. Vorgeschrieben sind, dass mindestens 95% der Inhaltsstoffe aus Öko-Anbau kommen. Das ist bei den privaten Siegeln anders, dort hat nur Naturland eine kleine Ausnahme von max. 5%, falls Produkte nicht in Bioqualität lieferbar sind. EU-Siegel-Produkte dürfen sogar bis zu 0,9% gentechnisch verändertes Material enthalten, Genmanipulation schließen die anderen Zeichen aus. Geschmacksverstärker, künstliche Aromen und Farbstoffe sind laut EU-Ökoverordnung verboten und von den über 300 Zusatzstoffen der konventionellen Lebensmittelindustrie sind nur 47 erlaub. Naturland und Naturland erlauben nur davon nur um die 20 und verbieten somit auch Nitritpökelsalze. Bioland erlaubt Enzyme. Demeter lässt nur 13 dieser Zusatzstoffe zu. Bei Ihnen handelt es sich um reine ätherische Öle und reine Extrakte mit Rohstoffidentität.

Pflanzenschutzmittel

Generell sind für alle Bio-Produkte synthetische Pflanzenschutzmittel verboten. Das ist schon mal eine gute Nachricht. Stickstoffdünger sind erlaubt. Wenn er aus der Tierhaltung kommt erlaubt die EU 170 kg pro Hektar und Jahr, ein drittel mehr als die privaten Verbände. Ausserdem darf der Landwirt nach EU-Recht Stickstoffdünger aus konventioneller Haltung zugekauft werden. Dann besteht die Gefahr, dass Antibiotika und andere Rückstände auf den Acker kommen. Organische Dünger wie Blut-, Fleisch- und Knochenmehle sowie Guano sind auch nur unter den staatliche Siegeln erlaubt. Um auch ohne viel Dünger einen fruchtbaren Boden zu erhalten sollen für Bioprodukte die Fruchtfolgen abwechslungsreich gestaltet werden. Pflanzenschutzmittel auf Schwefelbasis dürfen alle Bioanbieter nutzen, Mittel auf Kupferbasis sind begrenzt erlaubt, wobei die staatlichen Höfe die doppelte Menge auf die Felder fahren dürfen (6 bzw. 3 kg pro Hektar und Jahr). Demeter, Naturland und Bioland nutzen Schwefel weitestgehend nur für Dauerkulturen.

Tierhaltung

Für die EU-Biohöfe ist die Anzahl der Tiere abhängig von der Fläche des Hofes. Pro Hektar und Jahr dürfen maximal 14 Mastschweine, 2 Milchkühe, 230 Legehennen ODER 580 Masthühner gehalten werden. Das sind mehr als doppelt so viele Masthühner und über ein drittel mehr Legehennen als bei den privaten Verbänden. EU-Höfe dürfen auch 4 Schweine mehr pro Hektar halten, als Höfe, die den privaten Organisationen angehören. Diese nachweispflichte Platz steht aber keinesfalls den Tieren zur Verfügung. Leider erlaubt die EU auch Kuhtrainer. Mir war gar nicht klar, was genau ein Kuhtrainer ist: Er verabreicht der Kuh in Anbindehaltung Stromschläge, die sie dazu veranlassen soll, in Richtung Kotgraben auf der Stallgasse zu koten. Kuhtrainer und Anbindehaltung hört sich für mich nicht nach Bezeichnungen an, die ich bei einem Bio-Produkt erwarte.

Im Bereich Tierhaltung müsste meiner Meinung nach generell noch stark nachgebessert werden, denn auch für Bio-Produkte werden z.B. männliche Küken nach dem Schlüpfen getötet, Kühe und Kälber getrennt und Rinder enthornt. Ausgenommen sind hier zum Teil die Demeter-Höfe. Der Verband schreibt zwar als einziger seinen Mitgliedern vor, Tiere zu halten, aber die Milchkühe dürfen zumindest nicht enthornt werden. Genetisch verändertes, hornloses Milchvieh ist nicht erlaubt, Anbindehaltung ist jedoch durchaus möglich.

Zu diesem Thema gibt es hier einen drastischer Text über die Tierhaltung auf Biohöfen. Animals Rights Watch e.V. zeigt auf dieser web-site schlimme Zustände auf Biohöfen. Ich hoffe, es handelt sich hierbei um Ausnahmen. Aber es zeigt deutlich, wie verbesserungswürdig die Gesetzgebung an dieser Stelle ist, damit das nicht mehr möglich ist. Der Verbraucher geht davon aus, dass Bio-Fleisch von glücklichen Tieren mit viel Auslauf auf grünen Weiden kommt. Dies ist aber so nicht der Fall. Auch bei Bio-Fleisch geht es leider nicht um ein glückliches Tierleben.

Die Transportregelung ist meiner Meinung nach in der EU-Richtlinie etwas locker geregelt. Tiertransporte sollen möglichst wenig Stress erzeugen. Generell dürfen die Tiere nicht mit Stromstößen getrieben werden mit konventionellen Beruhigungsmitteln behandelt werden. Die privaten Siegel geben genauere Regeln vor: Transporte sind nur bis zu 200 km und maximal 4 Stunden erlaubt. Der Transport von Schlachtkörpern ist anzustreben.

Gentechnisch Verändertes Futter ist nach Art.4+9 (Eg)Vo 834/2007 verboten. Wenn am Markt kein Futter angeboten wird, dass komplett Gentechnik frei ist, darf der Bauer Futter zukaufen und den Schwellenwert von 0,9% überschreiten. Grundsätzlich sollen die Tiere aber mit ökologisch produzierten Futtermitteln und ohne Zusatz von Antibiotika und Leistungsförderern gefüttert werden. Konventionelles Mischfutter ist für Schweine und Hühner zu 10% erlaubt, Für Rinder, Ziegen und Schafe gibt es ein generelles Verbot. Der Futterzukauf ist grundsätzlich erlaubt. Die privaten Siegel sind auch hier strenger: Das Zukaufen von konventionellem Futter ist verboten und anderes, dem jeweiligen Siegel entsprechendes, Futter darf nur zu 50% zugekauft werden. Demeter schließt den Zukauf aus, da der gesamte Hofbetrieb als Einheit gesehen wird, der demnach auch sein Futter selbst produziert.

 

Ein große Unterschied zwischen den staatlichen und privaten Siegeln ist allerdings noch ein anderer:

Die privaten Biosiegel fordern eine Umstellung des gesamten Betriebes auf eine ökologische Produktionsweise. Demeterhöfe müssen generell aus das biologisch-dynamische System umstellen. Die Höfe, die unter dem staatliche Biosiegel arbeiten, dürfen dagegen konventionelle und ökologische Landwirtschaft nebeneinander betreiben. Sie müssen also nur einen Teil ihres Hofes auf den biologischen Betrieb umstellen. In Deutschland ist die Teilung eines Hofes (aufgrund der Subventionen) unüblich, wobei im Ausland häufiger konventionelle und biologische Produkte auf einem Hof produziert werden. Hier gibt es natürlich Bestimmungen, dass nur sehr unterschiedliche Produkte für beide Kategorien erzeugt werden dürfen, aber wer kann schon so genau nachprüfen, ob das Futter oder die Düngemittel nicht doch schnell einmal ausgetauscht werden. Ist ein Bauer wirklich eine vertrauenswürdiger Bio-Lebensmittelproduzent, wenn er gleichzeitig konventionell anbaut? Ist er vergleichbar mit dem Demeter-Bauern, der den gesamten Hof als biologisches Gesamtwerk betrachtet? Für mich nicht.

 

Fazit

Bei mir hat sich durch dieses Wissen mittlerweile eine Rangfolge der Siegel eingeschlichen: Demeter, Bioland, Naturland, EU-/deutsches Siegel. Danach achte ich auch auf das Herkunftsland und – soweit mir bekannt – die Produktionsweise. Weiß ich, dass es sich um ein starkzehrendes Gemüse (Auberginen, Brokkoli, Gurken, Kartoffeln, Kohl, Kürbis, Melone, etc) handelt, das vermutlich oft gedüngt wird, so greife ich eher zu den strengeren Biosiegeln um dem Stickstoffdünger aus konventioneller Produktion zu entgehen. Ich esse kein Fleisch und somit entfällt für mich die Entscheidung im Laden, allerdings finde ich den Einkauf von Butter, Eiern und Sahne jedesmal schwieriger. Ich entscheide mich dann für Demeter in der Hoffnung, dass auf diesen ganzheitlich geführten Höfen, die meisten Bauern auch an das Wohl der Tiere denken. Mal sehen, wie lange ich das noch so durchhalte … (die Veganer unter den Lesern schütteln wahrscheinlich gerade ärgerlich mit dem Kopf … aber ja doch, ich bin auf dem Weg!)

Und eine weitere Besonderheit gilt für verpackte Bioprodukte: Man kann nicht davon ausgehen, dass alle Bio-Produkte automatisch auch gesund sind. Prüft bitte die Zutatenlisten auf den Packungen, denn sehr oft sind auch diese Produkte mit viel Zucker hergestellt worden. Vielen Produkten wird leider Zucker zugefügt. Häufig ist es dann Rohr- oder Rohrohrzucker, aber das macht keinen Unterschied.


Tags

Bio, Bioland, Demeter, EG, Naturland, Siegel, Vergleich


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  • Vielen Dank für Ihren Artikel. 🙂 Ich selbst bin noch nicht erwachsen, aber bin schon seit ich 8 Jahre alt bin Vegetarier, weil mir die Haltung nicht gefällt und weil ich keinen Lebewesen das Leben nehmen will, ich habe jedoch auch bei Milchprodukten das Problem, dass ich nicht weiß, welches Bio-Siegel das vertrauenswürdigste ist. Leider sind die Bioprodukte auch sehr viel teurer als die anderen und dass man dann trotzdem Milch von Kühen bekommt die angebunden im Stall stehen, finde ich erschreckend!
    Also nochmal vielen Dank, aber trotzdem weiß ich nicht ob ich jetzt noch Milchprodukte zu mir nehmen möchte. 🙁

    • Hallo!
      Toll, dass du dich schon so für die Herkunft deines Essens interessierst. 🙂

      Ich stand vor dem gleichen Problem wie du und hab leider keine hundertprozentige Lösung gefunden. Milchprodukte sind immer etwas mit dem Leid der Kühe verbunden. Auch wenn sie auf die Wiese dürfen, werden sie immer noch von ihren Kälbern getrennt, damit wir ihre Milch bekommen können. Mir gefällt die Milchwirtschaft nicht, und so hab ich für mich die Entscheidung getroffen, deutlich weniger Milchprodukte zu konsumieren und die möglichst nur in Demeter-, Bioland- oder Naturland-Qualität. Pure Milch vertrage ich sowieso nicht gut und deshalb bin ich dafür gerne auf Mandelmilch (oft die schnelle Variante aus Mandelmus und Wasser) umgestiegen, Joghurt esse ich selten und wenn, dann meistens aus Soja oder Kokos und wenn ich wirklich mal Lust auf Käse habe, dann esse ich ihn mit Bedacht und Dankbarkeit an die Kuh. 🙂

      Du wirst schon viel erreichen, wenn du weniger Milchprodukte konsumierst und die dann sehr bewusst. Stell dir vor, das würde jeder von uns machen, wie viel würde sich dann verändern?!

      Zum Preis: der Preis ist ohnehin deutlich unter dem eigentlichen Wert der Milch. Er ist so tief, dass die Milchbauern Schwierigkeiten haben, ihre Milchproduktion zu finanzieren. Schon deshalb kaufe ich lieber Bio-Milchprodukte, die die Landwirte besser entlohnen.

      Lies dich am besten noch etwas weiter in das Thema ein und triff dann eine Entscheidung, mit der du am besten leben kannst.

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    „Jede Reise begintt mit einem ersten Schritt“

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